STILLGESCHICHTEN

 

STILLE MOMENTE MAL LAUT

 

DANKE AN ALLE TEILNEHMER*INNEN UND ALLE UNTERSTÜTZUNG!

 
 

PROJEKTENTSTEHUNG


Im Oktober wurden zur Weltstillwoche 2022 Fotografien von Jennifer Schäufelin, Annette Kuhls, Melanie Maerz, Amandine Boisseux und mir im Stuttgarter Rathaus ausgestellt. Unter dem Motto “Stillen. Eine Hand voll Wissen” gab es verschiedene Informations- und Beratungsangebote und eine wunderschöne Auftaktveranstaltung zur Ausstellung.Ich bin dankbar, dass ich meine Bilder dort zeigen und tolle Menschen kennenlernen konnte. Und ich habe mich dadurch intensiv mit meiner eigenen Arbeit auseinandergesetzt - wie sie meine Welt in der ich lebe und arbeite wiederspiegelt. Nach vielen Gedanken und Gesprächen möchte ich stillende Elternteile jetzt noch realistischer zeigen und mein kleines freies Projekt vorstellen:

Meine Projektreihe zeigt Stillen in den unterschiedlichsten Phasen, Orten, Familien und Situationen. Nicht nur die „schönen" Momente wie auf meinen bisherigen Bildern, sondern auch die schwierigen Seiten und alles dazwischen - Chaos, Hilfsmittel, negative Erfahrungen,... 25 Familien durfte ich in ihrem Alltag dokumentarisch begleitet und deren Geschichten sammeln. Die Sammlung wurde öffentlich ausgestellt und als Magazin gedruckt.

 

AUSSTELLUNG IN DER CONDESA

 
 

C O N D E S A
G I V E S S P A C E

DANKE FÜR DEN PERFEKTEN AUSSTELLUNGSORT!

HIER HINGEN FÜR EIN WOCHENENDE DIE BILDER UND ZITATE, MAN KONNTE DURCH DAS MAGAZIN BLÄTTERN UND IN AUSTAUSCH GEHEN.

 

MAGAZIN

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INTERVIEW VON NATALIE STANCZAK

 

"I LITERALLY COULDN’T ENJOY ANY PART OF IT 

AND KEPT WONDERING WHY I COULDN’T FEEL 

JUST LIKE EVERYBODY ELSE?"

 

Was hat dich dazu inspiriert, das Projekt "Stillgeschichten - Stille Momente mal laut" zu starten? Warum ist es für dich so wichtig, dieses Thema anzugehen?

“Das Thema kam zu mir. Ich habe bei einer Gemeinschaftsausstellung zur Weltstillwoche letztes Jahr Bilder gezeigt und in der Zeit so viel über das Thema nachgedacht und geredet. Und da ist mir aufgefallen, was da für ein riesen Redebedarf ist. Außerdem wollte ich meine kleine Bubbel verlassen - mit dem Wunsch, das Bild vom klassischen Stillen durch ganz viele Realitäten zu erweitern.”

Wie hast du die Familien ausgewählt, die du für dieses Projekt fotografieren wolltest?

“Das Projekt habe ich gestartet, ohne zu wissen, wie viele Teilnehmer*innen ich aufnehme und wie die Inhalte veröffentlicht werden. Durch tolle Kontakte in Stuttgart und vor allem über Social Media haben sich unfassbar viele stillende Elternteile auf mein Gesuch gemeldet und ich habe versucht, Teilnehmer*innen mit unterschiedlichsten Rahmenbedingungen und Familienwelten auszuwählen. Am Ende wurden es 25 Stillgeschichten, die neben der Ausstellung am Wochenende in der Condesa in Stuttgart auch perfekt in ein kleines Magazin passen.” 


Kannst du uns etwas mehr über die Bedeutung des Titels "Stillgeschichten - Stille Momente mal laut" erzählen?

“Ich mag das Wortspiel und finde, es unterstreicht die Thematik, die ich ansprechen möchte - Stillen (und alle Gefühle, die damit einhergehen) passiert hauptsächlich im Stillen. Das Projekt gibt dem Thema und stillenden Elternteilen Raum, laut zu werden. Ich erlebe immer wieder, dass ich auf einer Familienreportage bin und extra schon im Vorfeld gestillt wurde oder die stillenden Elternteile um Erlaubnis fragen - das soll sich ändern."

 

Welche Botschaft möchtest du mit dieser Ausstellung vermitteln?

“Allen stillenden Personen möchte ich das Gefühl geben, dass ihr eigener Stillweg mehr als okay ist und wenn gar nichts okay ist, darüber gesprochen werden kann und soll - und dass sie sich immer helfen lassen können. Die Teilnehmerinnen haben auch rückgemeldet, dass sie dadurch ihre eigene Stillerfahrung verarbeiten konnten oder anderen gerne damit helfen wollten. Alle anderen sollen sensibilisiert werden. Meine Botschaft: Seid sanfter mit euch selbst und anderen.”


Wie hast du die Momente eingefangen, in denen gestillt wurde? Gab es eine bestimmte Herangehensweise, die du verwendet hast?

“Alle Aufnahmen sind dokumentarisch, also ohne Eingreifen in das Geschehene entstanden. Dass ich das so mache, stand von Anfang an fest - so arbeite ich und so sollte es sein - echt und ohne Wertung. Aber ich bin ganz ehrlich, genau das hat mich während des gesamten Projektes immer wieder verunsichert und frustriert. Ich hatte ganz bestimmte Bilder im Kopf, die ich unbedingt haben wollte - beispielsweise eine Mutter stillend und weinend auf dem Klo (Spoiler - das Bild gibt es nicht). Ich wollte jegliche Stilllagen abbilden, jegliche Stillorte und Stilloptionen. Um so schonungsloser, umso besser. Davon habe ich mich mittlerweile gelöst und bin jetzt echt stolz auf die entstandene Sammlung. Sie zeigt einfach den Einblick, den ich in ein, zwei Stunden zu Besuch oder mit ihnen unterwegs bekommen habe. Das ist auch das Spannende daran - selbst wenn man (in dem Fall ich) zuhört und hinschaut, sieht man eben nur einen Bruchteil der Geschichte.”

  

Welche Rolle spielen die begleitenden Texte in deiner Ausstellung?

"Durch die Texte bekommen wir einen Einblick in die komplexen Gedanken der Mütter*. Die Sammlung besteht aus ganz unterschiedlichen Textformen, so unterschiedlich wie das Stillen und die Stillenden selbst. Als Fotografin bringe ich immer auch meinen Blick ein, hier trete ich zurück: Die Teilnehmerinnen haben selbst entschieden, was sie teilen möchten. Es sind ihre Worte. Oft wird dadurch noch eine weitere Dimension sichtbar. Da ist zum Beispiel Asli, die auf dem Foto selbstbewusst in einem Babycafé stillt. Im Text macht sie sich verwundbar und erzählt:  "I literally couldn’t enjoy any part of it and kept wondering why I couldn’t feel just like everybody else?"

 

Gab es während des Projekts eine Begegnung oder Geschichte, die dich besonders berührt hat?

“Bei jedem Treffen war ich gerührt und traurig und wütend und dann wieder gerührt. Besonders berührt hat mich mein Treffen mit Jenny und ihren Zwillingen. Da fahre ich nach Köln und steh vor der Tür einer fremden Familie, die mir über Instagram geschrieben hat und werde mit den Worten in WhatsApp begrüßt: „Komm ruhig schon rein, ich stille gerade noch“. Also schleich ich in die unbekannte Wohnung und bin direkt mittendrin - kein erstes Kennenlernen, kein Kaffee und dann die Kamera rauskramen - einfach empfangen mit vollstem Vertrauen. Zwei gute Stunden später lauf ich glücklich und dankbar über das schöne Treffen, die Chaosbilder und die ehrlichen Gespräche raus und denke mir, genau deshalb mache ich das.”

 

Wie hoffst du, dass die Besucher*innen deine Ausstellung wahrnehmen, und welche Emotionen möchtest du in ihnen hervorrufen?

“Ich hoffe und wünsche mir, dass auch die Besucher*innen gerührt und traurig und wütend werden. Dass es sie bewegt, sich selbst kritisch zu reflektieren, das wäre doch schon was.”


Gibt es spezifische Botschaften oder Informationen, die du mit anderen Care-Personen oder Familien teilen möchtest, die das Stillen bzw. Nicht-Stillen erleben?

“Gut, dass du das „Nicht-Stillen“ nennst. Ich nutze das Wort “Stillen” in meinem Projekt für alle Formen, das Bedürfnis nach Nahrung zu stillen, auch mit einem Fläschchen oder über eine Sonde. Für professionelle Ratschläge gibt es unfassbar tolle Expert*innen, wie die Stillberater*innen von „La Leche Liga“ oder „the weeks“ auf Instagram. Am wichtigsten finde ich, sich von dem Außen nicht verrückt machen zu lassen, das ja ständig vorgibt, ganz genau zu wissen, wie eine Mutter oder ein Elternteil zu sein hat. Meine 25 Teilnehmer*innen haben oder hatten mit dem falschen, romantisierten Bild vom Stillen zu kämpfen - das haben sie alle gemeinsam. Umso mehr möchte ich mich bei ihnen für ihren Mut bedanken, so offen davon zu erzählen.”

 

Danke Nessi für diese wundervolle Ausstellung und den Einblick in deine Arbeit!

INSTAGRAM @SANDSACK.FOTOGRAFIE